Kutteln

Ich liebe Kutteln. Als Kind kriegte ich sie oft, weil es zwar so eine Art Fleisch, aber trotzdem billig war. Heute stehen sie so sehr im Ruf von Arme-Leute-Essen, daß sie nur noch im schwäbischen Raum geschätzt werden, soweit ich weiß. Na ja, Innereien werden von vielen Leuten eben als Abfall angesehen. Wer es nicht weiß: Kutteln werden aus Pansen gemacht.

Die Türken lieben ihr Ischkembe ebenfalls. Neulich abends war ich gerade wieder bei türkischen Freunden eingeladen und kriegte Ischkembe-Suppe bis zum Abwinken.

Nun wollte ich mir vor einer Woche auch mal Kutteln kochen, obgleich ich kein Rezept dafür habe. Da ich mich aber noch gut an den Geschmack – auch der lang vermißten deutschen Variante – erinnere, sollte es kein Problem sein, die Zutaten zu erraten. Das A und O ist selbstverständlich der Pansen.

Ich gehe also zum Metzger und verlange ein Pfund. Man klärt mich auf, daß Pansen nur einmal die Woche geliefert wird und vertröstet mich auf Mittwoch.

An jenem verheißungsvollen Wochentag gehe ich erneut zum Metzger, beschwingten Fußes, ein Lied pfeifend. Man erfüllt meinen sehnlichen Wunsch und reicht mir das Paket.

Zu Hause lege ich tatendurstig alles bereit und packe den Pansen aus. Hoppla, da ist ein grünlicher Fleck! Er riecht auch nicht besonders appetitlich. Mein Metzger ist wirklich zuverlässig und qualitätsbewußt. Er muß diese verdorbene Stelle einfach übersehen haben. Kein Problem, ich tausche meinen Pansen einfach um.

Im Laden wickele ich das Paket wieder aus und zeige das Mißgeschick.

Och, die mögen das so. Was? Wer?

Meistens graben sie es sogar noch ein paar Tage ein, bevor sie es fressen. Ich verstehe noch immer nicht und bitte um eine frische Portion.

Eine andere Kundin am Tresen fragt mich: Was für einen haben Sie denn? Ich sehe verschämt an mir runter, ob etwa ein Knopf offen ist oder so etwas. Plötzlich dämmert es mir: Sie reden die ganze Zeit von Hunden.

Oh, er ist ein bißchen kränklich in letzter Zeit. Ich weiß nicht, ob er von dem grünen Fleck vielleicht Schaden nehmen könnte.

Dann ist das genau das Richtige für ihn. Es verdaut sich leichter als frisches Fleisch.

Dieses nicht gerade geflüsterte Gespräch erregt die Aufmerksamkeit der übrigen fünf oder sechs Kunden im Laden, die mich aus zehn oder zwölf Augen mustern. Wenn Blicke wehtäten!

Ich denke angestrengt darüber nach, wie ich zu meinen frischen Kutteln kommen könnte. Hier habe ich offensichtlich keine Chance. Sollte ich zugeben, daß der Pansen für mich ist? Die würden mir glatt ein Halsband anlegen und mich vor dem Laden anbinden. Wie kann ich mich dieser peinlichen Situation entziehen?

Mir bleibt keine andere Wahl, als mich höflich für die Sorge um meinen Hund zu bedanken und zu verabschieden. Auf dem Rückweg werfe ich mein Paket in einen Abfallbehälter und denke darüber nach, mir einen Hund zuzulegen. Damit wenigstens einer in der Familie mal Kutteln kriegt.