24. Dezember

Gabentische, hoch befrachtet,
Kerzenlicht in jedem Raum.
Menschen sitzen weih-umnachtet,
wobei man auf Nadeln achtet,
rund um ihren Weihnachtsbaum.

Im Rundumfunk nichts als Glocken,
im TV derselbe Stuss.
Ich mach mich jetzt auf die Socken,
trotze nassen Nieselflocken,
weil ich dem entrinnen muss.

Welche Kneipe hat jetzt offen?
Ich versuch es mal im Stint.
Die Adresse lässt wohl hoffen;
mancher ist schon halb besoffen,
weil dort auch nur Heiden sind.

Überwiegend Atheisten,
die sich weih-nachts nicht verrenken.
Manche lästern über Christen,
die mit Päckchen und gar Kisten
grade ihren Clan beschenken.

Alles Christen? Unwahrscheinlich.
Das ist halt althergebracht.
Doch den meisten ist nicht peinlich,
dass sie klar und augenscheinlich
das bloß artig mitgemacht.

Traditionen — nichts dagegen.
Jeder, wie er es gern macht.
Doch man muss sich überlegen,
ob des festen Rückgrats wegen
solches wirklich angebracht.

Wie ich so für mich sinniere,
wird's allmählich stille Nacht.
Nach dem vierten, fünften Biere,
zwei Entleerungen der Niere,
wird mir noch ein Schnaps gebracht.

Schließlich dann nach Hause trabend
denk ich mir, so ist es gut:
Ein paar Bier getrunken habend,
lob ich mir den Heiligabend,
wenn man ihn nicht merken tut.

Ochs und Esel, Stern und Krippe,
Jungfrau, Joseph, Engel, Hirt
nehm ich gerne auf die Schippe
und riskiere kesse Lippe,
weil das langsam peinlich wird —

auch für die anderen, die daran glauben, oder
an Weihnachten meinen, so tun zu müssen.


Nichts gegen Tradition. Wo sie aber (jedenfalls für Atheisten, Agnostiker oder Das is' mir scheißegal-Karteileichen eines Taufregisters) unmo­tivierter Selbstzweck oder gar ver­logen ist, kann sie mir gestohlen bleiben.
Tipp: Am 24. Dezember gegen Abend bei Ebay schnuppern! Da kriegt man alles für'n Appel und'n Ei, weil es so gut wie keine Mitbieter gibt. Die müssen nämlich soeben die Geburt eines Heilands abfeiern, der ihnen mehrheitlich knapp am Dingsbums vorbeigeht. Gleichwohl finden sie nichts dabei, es dennoch zu tun. So viel zum Stichwort verlogen.
Aber ich möchte nicht ungerecht sein:
In unserem Kulturkreis gibt es einen Tag im Jahr, an dem traditionell der Grad der Zuneigung (Fest der Liebe) am Preisschild eines Geschenks abgelesen wird. Seltsam – ärmere Leute sind auf dieser Skala offenbar sehr viel liebloser als reiche.
Darüber tröstet hinweg: In der Vorweihnachtszeit liebt uns die Wirtschaft wie bekloppt.
Seltsam aber: An Weihnachten häufen sich Suizide. Gut, manche Menschen halten es nicht aus, dass sie für das Fest der Liebe keine geliebte und zurückliebende Gesellschaft finden.
Es häufen sich jedoch auch Fälle von Gewalt in der Familie. Manche Menschen halten nicht aus, sich mit den Kotzbrocken heute vertragen zu müssen, die sie sonst zum Teufel wünschen. Nochmals Stichwort verlogen.